Krieg in Tigray November 2020

Die Situation in Adigrat und in ganz Tigray änderte sich im November 2020 dramatisch. Nachdem in Tigray durch die dortig regierende Partei TPLF (Tigray People's Liberation Front) zunehmend separatistische Alleingänge ohne Zustimmung der äthiopischen Regierung in Addis Abeba unternommen wurden und damit der 2018 gewählte Ministerpräsident Dr. Abey Ahmed als nicht akzeptiert gilt, gipfelte der Konflikt im Einmarsch von Regierungstruppen in die Region. Auch eritreische Soldaten besetzen seitdem Teile des Landes, es wird von erbitterten Kämpfen zwischen der TPLF und den äthiopischen und eritreischen Truppen berichtet. Zudem sind Massaker an der Zivilbevölkerung, Plünderungen und grauenvolle Vergewaltigungen in der ganzen Region an der Tagesordnung. Die vorhandene Infrastruktur wird größtenteils zerstört, was massiven Hunger und mangelnde, teilweise nicht vorhandene Versorgung der physischen und psychischen Gesundheit der Menschen zur Folge hat.

Hilfsorganisationen und Journalisten werden erst etwa seit April 2021 langsam ins Land gelassen, um zu helfen und zu berichten.

Siehe Aktuelles 2021

Die Situation vor Ort

Äthiopien  gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Erde. Es hat ca. 80 Millionen Einwohner und kommt auf ein durchschnittliches Pro-Kopf- Einkommen von etwa 830 US-Dollar im Jahr. Der Großteil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze, im Human Development Index 2020 liegt Äthiopien auf Platz 173 von 189 Ländern. Mehr als 50% der Bevölkerung sind Analphabeten. Obwohl offiziell Schulpflicht besteht, gehen nicht alle Kinder in die Schule. Bis sie alt genug sind, um  zu arbeiten, bleiben sie häufig sich selbst überlassen. In den Städten besuchen ca. 80% der Kinder die Grundschule, ungefähr 40 % eine weiterführende Schule. Die Mädchen bekommen seltener die Möglichkeit zum Schulbesuch, da sie oft in sehr jungem Alter schon im Haushalt und bei der Geschwisterbetreuung helfen müssen. Auf dem Land  ist die Situation noch weitaus schwieriger. Auch Aids ist in Äthiopien verbreitet: Nach Schätzungen gibt es ca. 890.000 Aidswaisen.
 

Besonders schwierig ist die Situation der Frauen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist zwar in der äthiopischen Verfassung verankert, die Realität ist allerdings anders. Der Anteil der Frauen, die lesen und schreiben können, ist weit geringer, als der der Männer, trotzdem ist die Zahl der berufstätigen Frauen sehr hoch, dabei sind sie die Geringverdiener. Mädchen werden auch heute oft sehr jung zwangsverheiratet und können auf dem Land nach wie vor Opfer von Beschneidung werden. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist ein großes Problem in Äthiopien, wird aber von den Opfern selten zur Anzeige gebracht. Empfängnisverhütung und somit Familienplanung wurde erst in den letzten Jahren populärer, Abtreibung ist nach wie vor ein äthiopisches Tabuthema. Scheidungen sind sehr leicht möglich, ohne dass der Exmann zu Zahlungen für vorhandene Kinder verpflichtet wird. Eine Frau ist nicht berechtigt, den Besitz ihres Vaters zu erben, nicht einmal den ihres Mannes. Wenn sie kein Kind, oder nur Mädchen bekommen hat darf sie nicht auf dem Grundstück ihres verstorbenen Mannes bleiben.

Die Stadt Adigrat  liegt im Norden Äthiopiens in der Region Tigray nahe der Grenze zu Eritrea und hat heute ca. 110.000 Einwohner. Aufgrund der Grenzlage litt die Stadt besonders unter dem zwei Jahre währenden Krieg mit Eritrea. Adigrat ist bis heute Anlaufstelle für viele Flüchtlinge, vor allem alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Die Infrastruktur der Stadt ist bei weitem nicht ausreichend: Nur wenige Haushalte verfügen über einen Wasseranschluss, es gibt nur ein Krankenhaus und eine geringe Anzahl von Kindergärten. Aus diesem Grund bleiben die Kinder zwischen drei und sechs Jahren häufig sich selbst überlassen, haben wenig Möglichkeiten, sich kindgerecht zu entwickeln oder auf einen möglichen Schulbesuch vorbereitet zu werden.
 

Die Situationsanalyse vor Ort ergab, dass es zwar einige Kindergärten gibt, diese aber für die Einwohnerzahl bei weitem nicht ausreichen. Außerdem liegen die wenigen bestehenden Kindergärten im nördlichen oder mittleren Teil von Adigrat, der inzwischen stark besiedelte Südteil verfügt bisher noch über keine derartigen Einrichtungen.