Benjamins Bericht

Ziemlich genau einen Monat habe ich Anfang 2015 in dem Kindergarten Adigrat Vision in Äthiopien verbracht. Ich hatte eine verdammt gute Zeit, in der ich sehr viel erleben und lernen durfte.

Mein Tag sah in etwa so aus: Gegen acht Uhr morgens kamen langsam alle Kinder, eine halbe Stunde später ist dann eine Art Versammlung, wo manchmal Koordinationsspiele gemacht werden, manchmal wird gesungen und manchmal gibt es sogar eine Art Modenschau. Danach gibt es Frühstück für die Kinder. Eine Stunde dauert das ungefähr, da in zwei oder drei Schichten gegessen wird. Anschließend gibt es Frühstück für die Lehrer.

Gegen zehn Uhr habe ich mir meistens drei oder vier Kinder aus den Klassen geholt und für ca. zwei Stunden mit ihnen gearbeitet und gespielt. Die Bibliothek ist vollgepackt mit Spielen und Übungen. Was ich viel gemacht habe, sind Zahlenspiele, Malen, Koordinationsspiele mit den Fingern, Sachen ausschneiden und natürlich noch viel mehr. Ich habe eine ganze Liste erstellt, was man so mit den Kindern machen kann. (Die Liste kann man in dem Ordner im Volontär-Zimmer finden. Außerdem gibt’s einen Plan, wie man in die Stadt kommt, wo man einkaufen kann und noch einiges mehr an Infos.) Meistens war bei den Kindern nach einer Stunde der Bewegungsdrang übermächtig geworden und ich bin mit ihnen rausgegangen. Den Sandkasten lieben sie sehr. Auch habe ich viele Bewegungsspiele gemacht: rückwärts laufen, seitwärts in der Hocke gehen, Seilspringen, mit Bällen werfen und so weiter. Da kann man sehr kreativ sein.

Es folgt das Händewaschen und das Mittagessen. Wenn die Kinder danach schlafen, wird zusammen mit den Lehrern Kaffee getrunken: 3 kleine Tassen, jede mit zwei gehäuften Löffeln Zucker. Es ist aber auch kein Problem ihn ohne Zucker zu trinken…
Nachmittags sind die Kinder meistens draußen und spielen. Manchmal ist auch Unterricht, aber recht selten. Hier kann man mit den Kindern spielen. Wenn man nicht weiß was man machen soll, die Kinder wissen es und werden helfen! Das wars dann auch schon, gegen halb fünf werden sie abgeholt.

Häufig (aber nicht immer) folgt dann noch Englisch-Unterricht für 12- oder 13-jährige, die aus den umgebenden Schulen kommen. Ca. 40 oder 50 Minuten arbeitet man mit ihnen. Es gibt ein Buch, welches aber sehr wenig taugt, ich habe mir immer selbst Aufgaben überlegt. Es geht einfach darum, dass die Kinder die Sprache verwenden, das heißt sprechen und hören und auch ein bisschen schreiben. Dazu reichen ganz simple Aufgaben. Es gibt extrem motivierte Kinder und solche, die wirklich sehr wenig können (z.B. können einige noch nicht mal das lateinische Alphabet korrekt, das sind aber nicht viele). Ich habe noch nie Unterricht gegeben, es hat mir aber total Spaß gemacht. Es war herausfordernd, aber keiner ist mir auf der Nase herum getanzt und ich konnte wirklich sehen, wie einige eine starke Lernkurve hatten in diesen vier oder fünf Wochen. Vielleicht sollte man sich vorher über einige mögliche Aufgaben Gedanken machen, so dass man nicht ganz unvorbereitet dasteht.     

Ich habe in meiner Zeit in Äthiopien wahnsinnig viel gelernt. Ich habe vorher nie mit Kindern gearbeitet, geschweige denn Unterricht gegeben. Vorher habe ich mich schon gefragt, ob ich das hinkriegen werde. Trotzdem funktionierte alles. Die Kinder haben mir viel gezeigt, wie man sich zu verhalten hat, aber eigentlich muss man gar nicht viel tun und man wird sofort geliebt.

Es war eine wunderbare Erfahrung, dazu gehört nicht, dass alles immer reibungsfrei funktioniert und ohne Schwierigkeiten vonstattengeht, sondern dass man lernt, auch etwas schwierigere Situationen zu meistern und dabei über sich hinaus zu wachsen.  
Durch ein Land zu reisen, immer ein paar Tage wo zu bleiben und dann weiter zu ziehen ist sehr schön und ich mache es immer noch gerne. Aber man geht viel tiefer rein in die Kultur und auch die Denkweise der Menschen, wenn man mehrere Wochen an einem Ort bleibt und dort tatsächlich lebt und arbeitet. So ist mein Verständnis für Äthiopien und Afrika nachhaltig beeinflusst und nicht nur oberflächlich angekratzt worden. Äthiopien ist eine komplett andere Welt – alles ist verschieden: die Lebensart, das Tempo, die Kultur, die Natur und Umgebung, das Essen und – ganz stark – die Denkweise der Menschen.

Ich hatte bei meiner täglichen Arbeit immer das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Ein Kindergarten ist etwas sehr Wichtiges in der Entwicklung eines Kindes und dass ein Weißer, ein „Forendschi“ da ist, der nur englisch spricht und auch anders mit den Kindern umgeht, ist auch sehr wichtig. Ich muss sagen, ich bin stolz meinen kleinen Teil beigetragen zu haben.